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Geschichte der Puppenhäuser und Kaufläden

Während Kinder in früherer Zeit eher als unvollkommene Erwachsene betrachtet wurden, beginnt im Laufe des 18. Jahrhunderts ein Umdenken. Die Kindheit wird als eigene Phase der Entwicklung gesehen, in der sich die Bedürfnisse von denen der Erwachsenenwelt unterscheiden. Bildung, auch die frühkindliche Bildung, gewinnt an Bedeutung. Diese Sichtweise setzt voraus, dass den Eltern auch die Möglichkeit geboten ist, sich selbst und den Kindern diesen Freiraum zu lassen.
Ab etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts lassen Adlige und wohlhabende Kaufleute manchmal ihre Häuser als Modelle nachbauen, um ihren Reichtum zu demonstrieren. Diese prunkvoll gestalteten Puppenhäuser sind mit ihrer gediegenen Einrichtung reine Präsentationsobjekte. Sie wurden nicht für Kinder gebaut. Die Häuser, wie auch die Einrichtung, sind erlesen, Puppen vom Hausherrn bis zur Köchin und dem Pferdeknecht verdeutlichen die Nutzung der Räume und die Rollen der Agierenden, alles passt zueinander. Solche Puppenstuben sind zum Beispiel im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg oder im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg ausgestellt.
Den Übergang zu spielbaren Puppenstuben bilden Häuser, die als Anschauungsmaterial für die Erziehung und Ausbildung der Kinder gefertigt wurden. Bereits im 17. Jahrhundert werden Puppenhäuser angefertigt, die der Unterrichtung von - meist adligen - Kindern dienen.
Das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg besitzt einen Holzschnitt von 1631 mit dem Puppenhaus der Anna Köferlin. Auf diesem Werbe-Blatt ist neben einem Bild der Fassade des Puppenhauses eine Beschreibung der Einrichtung und des Zwecks dieses Hauses abgedruckt. Das Puppenhaus selbst diente vielleicht der Ausbildung von Kindern, sollte aber vor allem Neugierige anlocken, die sich gegen Eintritt anschauen konnten, wie die Reichen leben.
Etwa ein Jahrhundert später werden Spielküchen in einem "Frauenzimmer-Lexicon" von 1715 als Kindergeschenke zu Weihnachten, Martinszeit, Namens- oder Geburtstag selbstverständlich erwähnt.
"... ob den kleinen Jungfern die Puppenküchen angenehm, und ob sie darüber die Liebe zur künftigen Haushaltung auch dabei blicken lassen...".
Diese sind aber noch größer als die späteren Puppenstuben, es sind spielbare Miniaturküchen für Kinder, die darinnen selbst agieren um ihre Puppenkinder außerhalb der Küche zu bewirten. Spätestens um 1765 entstehen erste noch erhaltene Kupferstiche mit Kindern, die mit solchen Puppenküchen spielen.
Spielbare Puppenhäuser für Kinder gewinnen ab dem Biedermeier (etwa 1815 bis 1848) an Verbreitung. Sie sind Muster von gutbürgerlichen Wohnungen, deren Einrichtung die Wirklichkeit möglichst getreu nachbilden soll. Mit der detaillierten Einrichtung der Möbel und Küchengeräte können die Kinder die Erwachsenenwelt nachspielen, in Rollenspielen können Kinder aber auch ihre eigene Situation verarbeiten oder verändern und sie können ihre Puppenkinder nach eigenen Vorstellungen erziehen. Auch die ersten Kaufläden stammen aus dieser Zeit.

Viele Puppenstuben und Kaufläden werden von Eltern oder Großeltern selbst hergestellt, aber bald kommen auch industriell gefertigte Modelle in den Handel.

Puppenstuben und Kaufläden bekommen Kinder meist zum Weihnachtsfest geschenkt.
Sie werden im Januar verpackt auf den Speicher gestellt, um zum nächsten Fest neu renoviert die Kinder wieder zu erfreuen.

Die Datierung von Puppenstuben ist manchmal schwierig, insbesondere bei selbst gebauten Möbeln. Vielfach greifen die Eltern oder Großeltern dabei auf Vorbilder in der eigenen Wohnung zurück, so dass sie häufig ältere Stilmerkmale aufweisen, als der Herstellungszeit der Modelle entspricht. So sind Puppenmöbel, die vom Vater oder Onkel gebastelt werden, oft moderner, als die vom Opa. Andererseits möchten Kinder schon immer "in" sein, weshalb sich in den meisten Fällen der Geist der Entstehungszeit in den Spielsachen spiegelt.
Seltener sind Puppenstuben, die dem Rollenverständnis der Jungen entsprechen. Vereinzelt gibt es Bauernhäuser mit Stall, Scheune und Heu-Aufzug, oder aber Poststationen oder Werkstätten. Ein wenig "interessanter" wurden Puppenhäuser für Jungen, als am Ende des 19. Jahrhunderts die Elektroinstallationen aufkamen.
Die Ausstellung "Gespielte-Wirklichkeit" zeigt Spielzeug, nicht die erlesenen Modelle, die kein Kind berühren darf. Spielbare Puppenstuben und Kaufläden bedeutet aber auch, dass viele der Exponate von den Kindern genutzt wurden und Eltern sie verwahrt, repariert und ergänzt haben. In den Besitz von Sammlungen kommen diese erst, wenn die Kinder das Interesse daran verloren haben.