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Zeit des Biedermeier 1815 bis 1848

Politik von 1815 bis 1848:
Wellingtons Ausspruch in der Schlacht von Waterloo: "Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen" geht in Erfüllung, Napoleon wird endgültig geschlagen. Die monarchistischen Siegermächte fürchten nichts mehr, als revolutionäre Gedanken und "restaurieren" die Adelsherrschaft.
Die Zeit des Biedermeier umfasst in Deutschland - und nur dort gibt es den Begriff - die Zeit der Restauration nach dem Zusammenbruch des französischen Kaiserreichs bis zur Märzrevolution.
Der neu gegründete Deutsche Bund umfasst 34, ab 1817 35 Fürstentümer und 4 ehemalige freie Reichsstädte. Um gegen internationale Konkurrenz bestehen zu können, werden zunächst regionale, 1843 auch der Deutsche Zollverein gegründet. Er umfasst ab 1866 weitgehend alle Staaten des Deutschen Bundes. In Preußen werden die ersten Sozialgesetze erlassen.

Kultur von 1815 bis 1848:
Von Goethes Faust war der erste Teil gerade erschienen, der zweite Teil fällt in diese Zeit. In der Malerei werden idyllische Landschaften, Portraits und fast karikaturartige Szenen dargestellt. Spitzweg malt den "Armen Poeten". Gleichzeitig existiert aber die Strömung des "Vormärz", oppositionell und revolutionär. Hierzu gehören Heinrich Heine und Georg Büchner. Auch die Frühen Schriften von Karl Marx fallen in diese Zeit (Kommunistisches Manifest 1848).
Auf dem Wiener Kongress wird nicht nur Politik der Restauration betrieben, es wird auch getanzt. Vor Allem Walzer, nach Musik von Johann Strauss. Das Biedermeier entwickelt keine eigenständige Architektur, die Entwürfe entsprechen weiterhin dem Klassizismus.

Technik und Wissenschaft von 1815 bis 1848:
Drais erfindet das Laufrad, Jacobi den Elektromotor, erste Fotografien entstehen, Firma Singer fertigt die ersten Nähmaschinen, die erste deutsche Eisenbahnlinie wird eröffnet, die Sprungfeder zur Polsterung vom Möbeln verwendet, 1840 produziert in England die erste Kinderwagenfabrik. Wachskerzen sind teuer, meist erhellen Talglichter den Raum, die Petroleumlampe beginnt sich durchzusetzen. Wasser wird für die meisten Haushalte am Brunnen geholt.
Ohm formuliert das nach ihm benannte Gesetz der Elektrotechnik, Faraday entdeckt, dass Magnete in Spulen Elektrizität erzeugen, der Mathematiker Gauß erweitert die Methoden der Mathematik.

Gesellschaft von 1815 bis 1848:
Bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts begann sich das Berufsleben vom Privatleben abzukoppeln. Dies förderte die Entstehung der Kleinfamilie. Üblicherweise sind Geschäfte an allen Tagen, auch Sonntags, von 5 bis 23 Uhr geöffnet
Dauerte die Reise von Berlin nach Frankfurt in der Postkutsche noch über 50 Stunden, benötigte die Eisenbahn zum Ende des 19. Jahrhunderts nur noch etwa 8 Stunden. Die neue Mobilität erfordert einen einheitlichen Wirtschaftsraum und die Aufgabe der kleinstaatlichen Zollgrenzen. Die bürgerliche Wohnkultur ist eher beschaulich und konservativ. Das von der Obrigkeit verängstigte Bürgertum zieht sich in die eigene Wohnung zurück, wird "bieder" und macht die Beschaulichkeit zur Weltanschauung. Man zieht sich, so man kann, in die Idylle der gemütlichen Wohnung zurück. Der gegenseitige Besuch der Damen bei Kaffee und Kuchen gehört im Biedermeier zum gesellschaftlichen Leben.
In bürgerlichen Familien führen Frauen den Haushalt, unterstützt von Haushälterin und Köchin. Wichtiger Tagesinhalt sind Handarbeiten und Klavierspiel.
Die Kindheit wird als eigene Phase empfunden, für die es eine eigene, von der Erwachsenenwelt abgesetzte Mode gibt. Auf die Erziehung der Kinder wird großer Wert gelegt, manchmal auch Hauslehrer eingestellt. Erste Arbeiter-Bildungsvereine entstehen. Durch die Stein-Hardenbergschen Reformen war der Zunftzwang in Preußen aufgehoben, es besteht Gewerbefreiheit. Diese wurde auch vom entstehenden Kaiserreich übernommen. Die freie Berufswahl ermöglichte erst den industriellen Aufschwung. Bereits in Amaranthes Frauenzimmer-Lexikon von 1715 heißt es zum Stichwort Puppenwerck: "Puppenwerck oder Spielsachen, auch Docken-Werck (=Puppen) genannt, heißet überhaupt alles dasjenige Spielwerck, woran die Kinder ihre eigene Lust und Freude haben, und mit welchen sie sich die Zeit zu passiren pflegen. ... Ja, es ist fast kein Handwerck, das nicht von denjenigen Sachen, so sie groß zu machen gewohnet sind, auch öfters im kleinen Modell und Puppenwercke verfertigte ... Man kan aus solchen der Jugend vorgelegten Puppen- und Spielwerck öfters ihr Gemüthe artig erforschen, und aus deren Erkiesung zuvoraus erlernen, worzu sie geneigt, ob sie weibische oder kindische oder ernsthaffte ihrem Stande nach wohlanständige Sachen wehlen und belieben, wie sie sich damit aufführen, und sie verwahren, ob sie solche recht anzuwenden und zu gebrauchen wissen, ob den kleinen Jungfern die kleinen Puppenküchen angenehm, und ob sie darüber die Liebe zur künftigen Haußhaltung auch dabey blicken lassen, ob sie schon die Haußgeschäfte aus einer Begierde suchen in der Zeit nachzuäffen und sich dadurch zu allerhand Guten anführen und anmahnen lassen. Dergleichen Puppenwerck und Spielsachen pflegen die Kinder insgemein zur Heil. Christbescherung, Martinszeit, Namens- oder Geburtstägen statt eines Geschenckes zu überkommen." Zedlers Universallexikon schreibt 1741 in seinen Beitrag zum "Puppenwerck" einiges wortgetreu von Amaranthes ab, ergänzt aber: "Ja man findet offt ganze Puppenhäuser, das ist, wo alles, was bey einer Haushaltung theils zur Pracht, und Zierde, theils zur Nothwendigkeit dient, ganz zart und und sauber in Modell nachgemacht,und ein jedes Stück an seinem Ort in den Gemächern, Zimmern, und dahin gehörigen Schräncken und Behältnissen auf das Geschickteste eingetheilet und angebracht; An Weihnachten wird der Christbaum und die Bescherung eingeführt, das Fest entwickelt sich zum Kinderfest, "...wenn die Kinder artig sind".
Die Polka löst den Walzer bei Tanzveranstaltungen als Modetanz ab. In Köln findet der erste Rosenmontagszug statt. Goldfunde in Amerika lösen eine Auswanderungswelle aus.

Möbel im Biedermeier:
Im Universallexikon von Zedler aus dem Jahre 1739 Spalte 1426 ff steht zum Stichwort Meublirung: "Ein vernünfftiger Mann leget sich also nicht mehr zu, als er bezahlen kann, und als die nothwendigkeit, die Gemächlichkeit, ein zulässiges Vergnügen, und ein unvermeidlicher Wohlstand, erfordern." Weiter wird davor gewarnt, schlechte Möbel mit guten Tapeten, oder moderne mit "alt fränckischen" zu mischen. "Die Zimmer der Damen werden insgemein besser ausgeputzt und ausmeubliret als der Manns-Personen." Vom Eingang her soll die Qualität der Möbel beständig steigen, so dass im Haupt-Zimmer die kostbarste Einrichtung steht. Im Erdgeschoss oder ersten Stock sind die prächtigsten Möbel, weiter oben werden sie kleiner und einfacher. Die Bediensteten pflegen gar öffters unten auf der Erde zu logiren. Weiter wird angemahnt den Stil der Häuser rein zu erhalten, ob Niederländisch mit Fliesen und Bildern von Schiffen oder italienisch mit kostbaren Gemälden. Dies gilt auch, "wenn sich einige gefallen lassen, die Gebäude nach Türkischer, Griechischer oder Japanischer Weise zu erbauen, da man der Europäischen Bau-Arten überdrüssig geworden." Weiter wird die Art der Bilder beschrieben, die in gehobenen Häusern hängen. War den Vorfahren noch das Mannsgroße Abbild wichtig, wird jetzt das Brustbild oder ein Kleinbild modern. Nach erfolgreicher Jagd wird die Strecke portraitiert, landschaften und Felder werden gemalt. Aber auch "schändliche, unzüchtige, nackende Bilder und Statuen, die aus dem wollüstigen Italien ihren Ursprung beschreiben" zieren die Häuser. Aus der Mode sind vergoldete oder bemalte Leder-Tapeten, moderne Tapeten sind aus Seide, Leinen oder Mischgewebe, gefärbt, bemalt, gewirkt oder lackiert. Treppenhäuser werden mit Holz- oder Steinstatuen, Bildern und Wndleuchtern geschmückt, Vor-Säle erhalten eine Wohnzimmereinrichtung, "damit sich einige von den Bedienten ... darinen aufhalten und der Herrschafft bey der Hand seyn können. Esszimmer erhalten geschnitzte, vergoldete Buffets oder Schenktische, in denen allerlei Geschirr und Vasen aufbewahrt werden. Die Damen haben ein Kabinett, in dem sie Kunstgegenstände und "Seltenheiten der Natur" ausstellen. Bei besonders kleinen und wertvollen Stücken wird empfohlen sie sicherheitshalber hinter Glas aufzubewahren. Den Einzug von Kaminen statt ausgeschückter Öfen aus Eisen oder Keramik kann der Autor nicht nachvollziehen. Die Küche gehört in den Keller, da es dort kühler, frischer und besser vor Fliegen geschützt. Gelobt werden die neuen Herde, bei denen das Feuer kaum sichtbar ist und die mit wenig Holz auskommen. Böden sind aus Stein oder Holz, bedeckt manchmal mit Schilfrohr oder Stroh, die Decken geschnitzt, mit fresken bemalt oder neuerdings vergipst. In großen Sälen hängen Kron- und Wandleuchter, Spiegel erhellen und vergrößern den Raum zusätzlich. Unter die Spiegel gehören Galanterie- und Beistelltische, verziert mit Laubwerk und Bildhauerarbeit. Die Nachttische der Damen stehen nict nur im SChlafzimmer, sondern auch im "Putz-Zimmer", in dem andere Damen empfangen werden. Die "Parade-Betten" stehen in der Kammer oder auch im Putz-Zimmer, wenn sie dieses zusätzlich schmücken. Die Biedermeiermöbel sind neben dem Empire stark vom deutschen Zopfstil, aber auch von Entwürfen des englischen Designers Thomas Sheraton beeinflusst, der einen Möbelkatalog mit vielen Abbildungen und Detailkonstruktionen herausgab. Sie sind in klassizistischer Form vereinfacht und klar gegliedert, ohne viele Verzierungen, von guter handwerklicher Qualität und meist bequem gestaltet. Die Tendenz, Möbel gemütlich zu gestalten, ist besonders an den Sitzmöbeln zu erkennen. Neben den gepolsterten Stühlen, zum Teil mit Armlehnen, lädt das streng geformte, aber bequeme Sofa zum Verweilen ein.
Erstmals steht der Nutzwert im Vordergrund, nicht die Repräsentation. Die verwendeten Furniere sind streng gegliedert, oft spiegelbildlich angeordnet. Meist werden helle Hölzer (Kirsche, Birke, Walnuss, Birne, Pappel und Eibe) bevorzugt. Kontrastwirkung wird durch Schwärzung der Kanten erzeugt. Durch die klare Form kommt die Maserung der Hölzer gut zur Geltung.
Die Metallauflagen des deutschen Biedermeiers erreichen selten die Qualität des französischen Empire, Bronzen werden häufig durch gestanztes Messing ersetzt. Meist wird jedoch ganz darauf verzichtet. Als Schmuck werden eher einfache Schnitzereien oder zarte Bänder und Ornamente als Einlegearbeit verwendet. Der Anklang an das Empire wird auch in den häufig anzutreffenden Säulen mit geschnitzten Kapitellen sichtbar, die das Gesims der Schränke zu tragen scheinen. Erst im späten Biedermeier nehmen die Verzierungen zu: Geschweifte Formen, gedrechselte Säulen und Elemente vorangegangener Stil-Epochen werden in die Möbel eingearbeitet.

Im Wohnzimmer dominiert der meist runde Tisch mit schwerem Zentralfuß, oft nicht mehr in der Mitte des Raums. Umgeben ist er von eher zierlichen Stühlen, manche auch mit Armlehnen.
An der Wand steht der Sekretär mit drei Schubladen im Unterteil und einer ausklappbarer Tischplatte, an dem die Schreibarbeiten erledigt werden. Mit Intarsien geschmückt ist insbesondere der innere Teil der Schränke, er wird erst nach öffnen der Schreibklappe sichtbar. Sehr viel kleiner gestaltet sind so genannte "Damenschreibtische". Das Zylinder- oder Rollbureau, in der Epoche des Louis XVI noch häufig anzutreffen, wird seltener.
Die Vitrine mit Glastüren und verglasten Seitenteilen ist manchmal als Eckschrank gestaltet. Sie dient der Aufbewahrung und Präsentation von Miniaturen, Porzellan und allem, was diese sentimentale Zeit für ausstellungswürdig hielt. Seltener werden auch "Aufwärter", offene, freistehende, etagerenartige Regale zur Ergänzung der Vitrine gefertigt. Schlichte Kommode und Bücherschränke ergänzen die Einrichtung. Besonders liebevoll gestaltet sind die kleinen Nähtische. Beliebtes Motiv zur Gestaltung ist die Lyra, seltener griechische Vasen oder Palmettenmotive.
Die Wände sind mit Stoffen oder Tapeten ausgestatten, meist in streifenartigen Mustern mit Blumen, Kränzen und Schleifen. Beliebt ist der Scherenschnitt, der neben den idyllischen Landschaftsbildern hängt. Schöne Biedermeiermöbel sind auf der kommerziellen Seite http://www.biedermeier.com/ abgebildet.

Puppenstuben im Biedermeier:
Wie im "überblick" erwähnt, sind die frühen Puppenhäuser nicht als Spielzeug hergestellt, sondern als Abbild der Wohnkultur. Sie sind Schaustücke, die den Reichtum der Besitzer wieder spiegeln. Daneben existieren die spielbaren Kinderküchen. Kleinere Küchen, in etwa Maßstabsgerecht für die Puppen als "selbst" agierende Hausfrauen, sind spätestens seit 1812 bekannt. Aus dieser Zeit existieren Kataloge der Firma Bestelmeier mit einer Vielzahl von angebotenen Puppenstuben. Bestelmeier betreibt einen Versandhandel, für den er in ganz Deutschland wirbt, baut aber auch in Nürnberg ein Kaufhaus für seine Waren. Dabei sind die abgebildeten zweidimensionalen Papier-Puppen ausdrücklich im Text seines Kataloges als etwas Besonderes erwähnt.
Anders als die erlesenen Modellhäuser des Adels und des Großbürgertums vorangegangener Zeiten ist die Möblierung der Biedermeier Puppenstuben bescheiden. Dies entspricht der Stilrichtung der Möbel-Vorbilder, die gegenüber der Periode des Klassizismus oder des Zopfstils deutlich strenger und einfacher gestaltet sind. Man ist bieder, nicht protzig. Ein weiterer Grund für die einfachere Gestaltung der Puppenmöbel ist, dass sie als Kinderspielzeug hergestellt werden und dass sie für einen deutlich breiteren Kundenstamm bezahlbar sein müssen.
übliche Räume der Puppenstuben sind Küche, Wohnzimmer und Schlafraum. Wie gesellschaftlich üblich, finden im Spiel gegenseitige Visiten statt, die Puppenhausfrau bewirtet ihre Gäste.
Im Wohnzimmer dominieren - wie bei dem großen Vorbild - der Tisch mit Mittelfuß, der Sekretär, die Kommode und das Sofa mit sichtbarem Holzrahmen und senkrechter Lehne. Die Küchen sind meist Einzelräume. Im Unterschied zu den übrigen Puppenstuben haben Küchen oft einen trapezförmigen Grundriss. Dies ermöglicht den Kindern beim Spielen einen besseren Zugriff auf den Herd und die vielen übrigen Einrichtungen und Küchenwerkzeuge. Wenn die Küchen dieser Zeit keine Wohnküchen mit Esstisch sind, so liegt dies vor Allem daran, dass sie die Wirklichkeit der gut gestellten Familien wieder spiegeln. Dort ist die Küche kein Aufenthaltsraum, wie in bäuerlichen oder anderen einfacheren Familien.
Die Küchen sind als Rauchfangküchen oft fensterlos gestaltet, meist aus Holz. Es gibt aber bereits im Biedermeier Blechküchen, die in Serie gefertigt werden. Auch erste funktionsfähige Wasserleitungen werden angeboten, gespeist von einem Wassertank auf der Außenwand. Die Zinnteller sind industriell gefertigt, die handgefertigte getöpferte Ware kauft man bei ortsansässigen Töpfern oder auf Töpfermärkten. Auch Spielzeug hat im Biedermeier Hochkonjunktur. So erhält Goethe 1829 ein Modell der englischen Lokomotive Rocket für seinen Enkel.
Der Spielzeugkatalog der Firma Bestelmeier aus dem Jahr 1823 weist rund 1200 Artikel aus.

Bei den Puppen gibt es neben den gröberen Holzpuppen solche mit Köpfen aus Wachs, Bisquitporzellan, Porzellan und Papiermaché.
Auch entstehen erste Puppen mit Schlafaugen und Puppen, die "Mama" sagen können.